Der Religionsunterricht soll Wegbegleiter sein und den Schülerinnen und Schülern bei der Identitätsfindung helfen. Ein Film von Axel Mölkner-Kappl.

Religionsunterricht

„Eine gute Begleitung“

„Religion – Deutsch – Englisch“ bei der klassischen Aufzählung im Zeugnis gehört der evangelische Religionsunterricht wie selbstverständlich dazu. Doch was geschieht eigentlich in diesem Fach?

An ihren eigenen Religionsunterricht erinnert sich Simone H. noch sehr gut. An die vielen spannenden Geschichten in der Grundschule und die hitzigen Diskussionen in der Oberstufe über Abtreibung und gerechten Krieg beispielsweise. Der Religionslehrer war der einzige, bei dem sie ganz frei ihre Meinung gesagt hat. Seinetwegen ist sie heute noch evangelisch, denn er hat ihr eine offene, weitherzige Kirche gezeigt. Nun soll Simone H. für ihren Sohn Manuel entscheiden, ob er in den Religions- oder Ethikunterricht gehen soll. Ethik? Lernt er da nicht auch Werte, die sie ihm vermitteln will? Die Mutter ist unentschlossen.

Für Michaela Pelz aus Kirchseeon, einem Markt im oberbayerischen Landkreis Ebersberg, ist es selbstverständlich, dass ihre beiden Kinder – Sohn Konstantin, 15, und Tochter Alexandra, 12 – im städtischen Gymnasium aktiv am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Und, so glaubt die heute 51-jährige Mutter, viel daraus ziehen.

 "Der Religionsunterricht der Zukunft lebt vom Lernen im Dialog. Erfahrungen und Fragen lassen sich leichter teilen im Gespräch mit Gleichaltrigen im Klassenverband und aus anderen Konfessionen oder Weltanschauungen. Dazu ist es wichtig, den eigenen Glauben als Ausgangspunkt und Diskussionsgrundlage gut zu kennen."

Oberkirchenrat Stefan Blumtritt, Leiter der Abteilung „Gesellschaftsbezogene Dienste“ im Landeskirchenamt

„Der Religionsunterricht“, sagt Michaela Pelz, „ist der Ort, an dem meine Kinder lernen, was es heißt, sich und andere willkommen zu heißen.“ Dass Schülerinnen und Schüler anderen Menschen mit Offenheit und Respekt begegneten, sei in unserer Zeit besonders notwendig: „Gerade heute finde ich es wichtiger denn je, dass Kinder so früh wie möglich lernen, was Respekt und Toleranz anderen Menschen gegenüber bedeuten.

Für Stefan Blumtritt, zuständiger Oberkirchenrat für Religion an der Schule, machen diese Hilfe zur Orientierung für das eigene Leben "und die Suche nach dem Sinn, dem Inhalt des eigenen Lebens" die Eigenart des Religionsunterrichts unter den anderen Fächern aus. "Der Religionsunterricht gibt den Fragen, Anliegen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern in verstärktem Maße Raum: Was macht mein Leben aus, wie kann ich es gelingend gestalten? Welche Rolle spielen dabei Gott und die Welt? Welche Verantwortung will ich dabei übernehmen? Wo liegt meine Freiheit?" Dabei nutze das Fach Religion "die jahrtausendealten Erzählungen von Menschen, die Erfahrungen mit Gott machten, die sie ohne ihn nicht so hätten machen können."

"Viele denken, dass Glaube ,anti-intellektuell' ist"

Auch Matthias Lohmann aus München schätzt die aktive Auseinandersetzung mit alltäglichen Situationen, die im Religionsunterricht stattfindet. Meist ziehe gerade dies ein religiöses Fragen nach sich. Der 40-Jährige hat eine kleine Tochter namens Anna Maria, die die zweite Klasse der evangelischen Lukasschule in München besucht. „In diesem Unterrichtsfach wird meine Tochter dazu ermuntert, dem Thema Glauben nicht blind zu begegnen, sondern es zu durchdenken.“

„Viele denken, dass Glaube ‚anti-intellektuell‘ ist, sich also gegen den denkenden Menschen richtet, “ fährt Lohmann fort. Er kann einem solchen Vorwurf mit Ruhe begegnen: „Selbständiges Denken wird im Religionsunterricht nicht nur nicht ausgeschlossen, das ist sogar erwünscht. Es passiert dort lediglich in einem Rahmen gegenseitiger Annahme.“

Wertschätzung für die Persönlichkeit der Schüler

Für diese Atmosphäre des Respekts und der Offenheit sorgen die rund 6200 Religionslehrerinnen und Religionspädagogen, Katecheten und Pfarrerinnen, die in Bayern evangelische Religionslehre unterrichten. Neben einem fundierten Wissen über Religionen – nicht nur die christliche – und ethische Themen bringen sie viel Engagement und Begeisterung sowie eine Vielfalt an Methoden mit, um den Kindern Geschichten und Fragestellungen des Glaubens nahezubringen.

Und natürlich einen Blick und Wertschätzung für die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen: Dort, wo bei Leistungsdruck der Einzelne manchmal zu kurz kommt, bietet der Religionsunterricht einen Freiraum zum Aufschnaufen und zum Nachdenken über Themen, die im Schulalltag manchmal auf der Strecke bleiben. „Ich mag am Religionsunterricht, dass alles etwas lockerer ist, man aber trotzdem etwas lernt“, meint der 13jährige Nils. „Wir reden oft über Dinge, worüber man sonst nicht so viel weiß. Das ist interessant.“

Wie wichtig Religionslehrerinnen und -lehrer sind, dessen ist sich auch Oberkirchenrat Stefan Blumtritt sehr bewusst. Für ihn sind sie "die 'sprechenden Visitenkarten' ihres Glaubens", die mit Begeisterung dafür eintreten, dass Schülerinnen und Schüler ihre Talenten und Chancen herausbilden können.  Kindefr und Jugendliche könnten im Religionsunterricht erleben, "dass ihre (An-)Fragen und ihre Suche zum Menschsein gehören und ernst zu nehmen sind." Dabei bekämen sie ihre Antworten nicht wie Rezepte geliefert, "weil sie jede und jeder für sich selber finden und annehmen wird."

Die Themenvielfalt der Lehrpläne reicht von klassischen biblischen und theologischen Themen über grundlegende Fragen des menschlichen Zusammenlebens, Wissen über andere Religionen bis hin zu aktuell diskutierten Fragestellungen.

Jonas, 11 Jahre, 6. Klasse Evangelische Lukasschule München

Jonas, 11 Jahre, 6. Klasse Evangelische Lukasschule München,© privat

Bild: privat

Ich find’s gut, dass man im Religionsunterricht Zeit hat, über Fragen zu sprechen. Wir haben zum Beispiel viel darüber diskutiert, was Schöpfung und Evolution bedeuten. Außerdem werden die Themen ganz unterschiedlich behandelt, mal gibt es einen Film, mal ein Quiz.

 

Clara, 14 Jahre, 8. Klasse Wilhlem-Löhe-Schule Nürnberg

Clara, 14 Jahre, Wilhelm-Löhe-Schule,© Wilhelm-Löhe-Schule

Bild: Wilhelm-Löhe-Schule

Spannend finde ich immer wieder die Diskussionen durch die verschiedene Meinungen und Ansichten zusammenkommen. Was ich auch noch gut finde, ist, dass wir im Religionsunterricht auf einer viel persönlicheren Ebene arbeiten als im normalen Unterricht. 

Konstantin, 15 Jahre, 10. Klasse Gymnasium Kirchseeon

Konstantin, 15 Jahre,© privat

Bild: privat

Mir gefällt am Religionsunterricht an unserer Schule, dass wir sehr viel eingebunden werden und uns gut beteiligen können. Außerdem gibt es viele interessante Themen, die man auch aufs tägliche Leben beziehen kann, wie zum Beispiel die Gleichnisse, in denen es um Arbeit geht.

Pauline, 10 Jahre, sechste Klasse Evangelische Lukasschule München

Pauline, 10 Jahre, sechste Klasse Evangelische Lukasschule München,© privat

Bild: privat

In dem Fach Religion können wir über aktuelle Dinge reden, die für unsere Klasse wichtig sind. Besonders schön fand ich, dass wir gemeinsam füreinander beten, wenn es mal Probleme gibt. Mich hat das Thema Judentum total interessiert, weil ich davon vorher fast noch nichts gehört hatte. 

Jonas, 11 Jahre, 6. Klasse Evangelische Lukasschule München,© privat

Bild: privat

Jonas, 11 Jahre, 6. Klasse Evangelische Lukasschule München

Ich find’s gut, dass man im Religionsunterricht Zeit hat, über Fragen zu sprechen. Wir haben zum Beispiel viel darüber diskutiert, was Schöpfung und Evolution bedeuten. Außerdem werden die Themen ganz unterschiedlich behandelt, mal gibt es einen Film, mal ein Quiz.

 

Clara, 14 Jahre, Wilhelm-Löhe-Schule,© Wilhelm-Löhe-Schule

Bild: Wilhelm-Löhe-Schule

Clara, 14 Jahre, 8. Klasse Wilhlem-Löhe-Schule Nürnberg

Spannend finde ich immer wieder die Diskussionen durch die verschiedene Meinungen und Ansichten zusammenkommen. Was ich auch noch gut finde, ist, dass wir im Religionsunterricht auf einer viel persönlicheren Ebene arbeiten als im normalen Unterricht. 

Konstantin, 15 Jahre,© privat

Bild: privat

Konstantin, 15 Jahre, 10. Klasse Gymnasium Kirchseeon

Mir gefällt am Religionsunterricht an unserer Schule, dass wir sehr viel eingebunden werden und uns gut beteiligen können. Außerdem gibt es viele interessante Themen, die man auch aufs tägliche Leben beziehen kann, wie zum Beispiel die Gleichnisse, in denen es um Arbeit geht.

Pauline, 10 Jahre, sechste Klasse Evangelische Lukasschule München,© privat

Bild: privat

Pauline, 10 Jahre, sechste Klasse Evangelische Lukasschule München

In dem Fach Religion können wir über aktuelle Dinge reden, die für unsere Klasse wichtig sind. Besonders schön fand ich, dass wir gemeinsam füreinander beten, wenn es mal Probleme gibt. Mich hat das Thema Judentum total interessiert, weil ich davon vorher fast noch nichts gehört hatte. 

Religionsunterricht - ein Thema für die ganze Familie

Etwa 310.000 Schülerinnen und Schüler besuchen in Bayern den evangelischen Religionsunterricht – bei weitem nicht alle davon sind evangelisch. Mehr als ein Zehntel gehört einer anderen oder gar keiner Konfession oder Religion an. Und doch treten immer wieder Eltern in die Kirche ein, weil sie möchten, dass ihr Kind eine konfessionelle Heimat hat – auch im Religionsunterricht. Das erfährt Sandra Zeidler, Pfarrerin an der Evangelischen Kircheneintrittsstelle München, immer wieder.

„Für die Eltern fühlt sich sonst nicht alles stimmig an: wenn ihr Kind keine richtige konfessionelle Heimat hat und wenn sie selbst nicht in der Kirche sind, sich aber gleichzeitig wünschen, dass ihr Kind sich in der Schule im Religionsunterricht mit Glaubensfragen auseinandersetzen soll.“ Oftmals erinnern sie sich, dass der Religionsunterricht ihnen in ihrer Kindheit eine gute Begleitung war, und wollen dies auch für ihre Kinder.

Wie Simone H, die nach kurzem Überlegen entschieden „evangelische Religionslehre“ für ihren Sohn Manuel ankreuzt. Das fühlt sich für sie richtig an. Ihr Sohn soll seinen eigenen Weg im Leben suchen und finden können. Der Religionsunterricht wird ihm dabei helfen.

11.01.2022
Almut Steinecke