Die Schulseelsorge sorgt dafür, dass die Schüler nicht den Halt verlieren.
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Schulseelsorge
Anker im Alltag
Die junge Schülerin berichtet von der Mitschülerin, die ihr das Leben schwer macht, und dass sie gar nicht mehr gerne zur Schule geht. Luise redet ganz offen, weil sie weiß, dass Susann Richter ihr aufmerksam zuhört – denn Susann Richter ist Seelsorgerin an Luises Schule. Und zu ihrer Schulseelsorgerin hat Luise Vertrauen.
Die Szene mit der traurigen Luise ist erfunden. Susann Richter, 51, Schulseelsorgerin, würde keinesfalls aus ihrem Arbeitsalltag erzählen, auch nicht mit geänderten Schülernamen. Denn Richters Alltag unterliegt einer absoluten Schweigepflicht, und niemals würde die Seelsorgerin Einzelheiten über die bis zu acht Buben und Mädchen Preis geben, die sie durchschnittlich in einem Monat berät. Vor welchen Herausforderungen Richter täglich steht, erläutert sie im Gespräch mit bayern-evangelisch.de – ein Interview:
Hilfe zu suchen, ist eine sehr kluge Reaktion
Susann Richter, Schulseelsorgerin
Frau Richter, mit welchen Problemen kommen die Schüler zu Ihnen?
Susann Richter: „Die Probleme sind sehr vielfältig und vorwiegend zwischenmenschlicher Natur. Die Schüler beklagen sich über Mobbing in ihrer Klasse oder suchen Hilfe, weil sie zum Beispiel immer wieder von ein- und demselben Mitschüler gehänselt und geärgert werden. Sie kommen mit Trauerfällen, wenn zum Beispiel ihre Oma gestorben ist, oder sie thematisieren Streitigkeiten in ihrer Familie; vielleicht verstehen sich die Eltern gerade nicht so gut, vielleicht haben sie gerade ein neues Geschwisterchen bekommen und sind eifersüchtig und fühlen sich zurückgesetzt. Mit solchen und anderen Problemen kommen die Schüler oft zu mir.“
Schulseelsorge in der Pandemie - Erfahrungen
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Inwieweit unterscheiden sich die Probleme der Schüler mit Blick auf die unterschiedlichen Schulformen?
Richter: „Ich glaube nicht, dass sich die Probleme von ihren zwischenmenschlichen Themen her groß unterscheiden – ein Realschüler wird ähnliche Probleme haben wie ein Gymnasiast. Ich könnte mir aber vorstellen, dass bei den Gymnasiasten das Thema Leistungsdruck stärker ausgeprägt ist als bei anderen Schulformen; dass die Schüler darunter leiden, dass Eltern und Lehrer zu viel von ihnen verlangen.“
Sie arbeiten an einem Sonderpädagogischen Förderzentrum, wie offen kommen die Schüler da auf Sie zu?
Richter: „Sehr offen. Ich habe auch den Eindruck, dass Förderschüler das Angebot der Schulseelsorge besser annehmen, als andere Schüler: sie neigen nicht so dazu, zu reflektieren, wie zum Beispiel Gymnasiasten, deshalb haben sie auch weniger Hemmungen und kommen leichter auf mich zu. Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, wenn es einem schlecht geht, ist eine sehr kluge Reaktion.“
Prinzipien der Schulseelsorge
Schulseelsorger*innen unterstützen ihre Schüler*innen, ihr Leben aktiv und selbstverantwortet zu gestalten. Wenn ein Kind erfährt, dass es etwas für sich und für andere bewirken kann, legt dies einen Grundstein für die psychische Gesundheit.
Schulseelsorger*innen leiten Kinder und Jugendliche dazu an, ihre Ressourcen aus bisher gemachten Erfahrungen, aus Beziehungen und aus dem Umfeld zu aktivieren, um Herausforderungen zu begegnen. Auch der Glaube der betreffenden Schüler*in kann hier eine beachtliche Ressource sein. Welche Ressource auch immer entdeckt wird, sie führt zu einer individuellen Erweiterung der Möglichkeiten des eigenen Handelns.
Schulseelsorger*innen stärken Kinder und Jugendliche, indem sie die Resilienz individuell oder als Gruppe gezielt fördern.
Schulseelsorger*innen entwickeln mit Kindern und Jugendlichen Lösungen für ihre spezifische Situation. Dabei stehen kleine und realistische Veränderungen im Fokus.
Schulseelsorger*innen sind sich ihrer Grenzen sehr genau bewusst und wissen sich mit anderen Beratungsstellen vernetzt. Sie arbeiten nicht therapeutisch, sondern begleiten Kinder und Jugendliche, bis ggf. eine geeignete Therapie vermittelt werden konnte.
Sie arbeiten an einem Sonderpädagogischen Förderzentrum, wie offen kommen die Schüler da auf Sie zu?
Richter: „Sehr offen. Ich habe auch den Eindruck, dass Förderschüler das Angebot der Schulseelsorge besser annehmen, als andere Schüler: sie neigen nicht so dazu, zu reflektieren, wie zum Beispiel Gymnasiasten, deshalb haben sie auch weniger Hemmungen und kommen leichter auf mich zu. Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, wenn es einem schlecht geht, ist eine sehr kluge Reaktion.“
Notfallseelsorge in Schulen
Bild: rpz
Ein spezieller Bereich der Schulseelsorge ist die Seelsorge in Krisen, die durch Tod, Trauer, erschreckende Ereignisse und Unglücksfälle ausgelöst werden. In diesem Bereich wird eng mit der Katholischen Kirche (KiS - Krisenseelsorge in Schulen) und den vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus beauftragten SchulpsychologInnen (KIBBS - Kriseninterventionsteam bayerischer SchulpsychologInnen) zusammengearbeitet. Hier finden Sie weitere INformationen.
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Wie gewinnen Sie das Vertrauen der Schüler?
Richter: „Ich habe den Vorteil, dass ich parallel zur Schulseelsorge für die Kinder auch ihre Religionslehrerin bin. Im Religionsunterricht sprechen wir ohnehin über viele Themen, die die Schüler bewegen und ihren Alltag widerspiegeln. Allein mit diesen Unterrichtsgesprächen gewinnen die Schüler schon jede Menge Vertrauen, wenn sie merken, dass ich beispielsweise ihre Meinungen und Ansichten gar nicht bewerten will, sondern mich einfach dafür interessiere, aus welchen verschiedenen Blickwinkeln sie ein Thema betrachten. Zum Beispiel das Thema Tod.
Jede Unterrichtsstunde beginnen wir außerdem generell mit der Frage ,Wie geht es Dir heute?` Wenn die Schüler älter sind, lasse ich sie mit Symbolen antworten, mit Blumen, Kerzen und Steinen. Die Blumen stehen für Dankbarkeit, die Kerzen für einen Wunsch, die Steine für Belastungen und Probleme. Je nachdem, welches Symbol die Schüler legen – oder was die Jüngeren mit auf die Frage ,Wie geht es Dir?‘ antworten – nehme ich die Jungen und Mädchen auch schon mal nach dem Religionsunterricht beiseite und biete ihnen meine seelsorgerliche Beratung an.“
Allgemein unterliegen Sie einer Schweigepflicht – gibt es auch Ausnahmen davon?
Richter: „Wenn wir bei einer Beratung auf Straftaten stoßen, wenn wir zum Beispiel merken, dass einem Kind Gewalt angetan worden ist, muss ich meine Schweigepflicht brechen, um dem Kind wirklich helfen zu können. Es ist dann eine besondere Herausforderung, dem Kind klar zu machen, dass sich nur etwas ändert, sich etwas an seiner Situation verbessert, wenn wir den Missbrauch an ihm offen legen. Das ist natürlich gar nicht so einfach, und ich gebe dem Kind so viel Zeit, wie es braucht, um es langfristig in die Obhut unserer Schulpsychologin zu geben.“
Susann Richter
Susann Richter arbeitet als Schulseelsorgerin in Bayern. An welcher Lehranstalt sie eingesetzt ist, will sie nicht direkt verraten, denn Richter unterliegt absoluter Schweigepflicht, und alles, was sie mit ihren Schülern bespricht bleibt unter vier Augen. Richter ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Söhne.
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02.12.2013
Almut Steinecke