Religionsunterricht

"Ich empfinde es als absolutes Privileg, dass wir im Grundgesetz verankert sind als ein ordentliches Lehrfach. "

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Religion an weiterführenden Schulen

"Die Schule ist ein wichtiges Sprachrohr"

Uwe Stenglein-Hektor unterrichtet Religion an zwei Berufsschulen in Augsburg,  Anna-Lena Kempf an einem Gymnasium in München. Von ihren persönlichen Erfahrungen erzählen sie im Interview. 

Frau Kempf, Herr Stenglein-Hektor, wie gestaltet sich der Religionsunterricht an ihren Schulen? Wo unterscheidet er sich von anderen Schulformen?
Kempf: Das Besondere am Gymnasium ist die Altersspanne. Man unterrichtet eine Bandbreite von der 5. Klasse bis zum Abitur. Und natürlich muss man da im Unterricht drauf eingehen. In der 5. Klasse erzählt man die Schöpfungsgeschichte natürlich ganz anders , als in der 8. Klasse oder in der Oberstufe. Aber auch die nachgefragten Themen sind sehr unterschiedlich. In der Oberstufe geht viel mehr in die Tiefe und um existenzielle Fragen.

Stenglein-Hektor: Das ist bei uns anders. Die Schüler und Schülerinnen kommen an die Berufsschule in aller Regel nach ihrem Abschluss an den allgemeinbildenden Schulen. Anfangs unterscheiden sie sich von ihrer altersgemäßen Psychologie sicher nicht so sehr von Ihren Schülern, Frau Kempf. Das ändert sich aber schnell, denn die jungen Leute stehen im Berufsleben und werden mit anderen Dingen konfrontiert, als Gleichaltrige, die weiterhin zur Schule gehen. Sie machen eine Kopfsprung ins Erwachsenenleben. Sie kommen zu uns als Schüler und gehen, wenn sie mitten im Leben stehen. Zum Teil haben sie sogar bereits Familien gegründet.
Dazu kommt, dass die Schülerinnen und Schüler mitunter sehr verschiedene Berufsziele anstreben und aus unterschiedlichen Bildungshintergründen kommen. Das muss man alles im Unterricht berücksichtigen.

Anna-Lena Kempf, Bild: © privat

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Anna-Lena Kempf

ist 27 Jahre alt und unterrichtet Deutsch so wie Evangelische Religion an einem Münchner Gymansium. 

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Was sind die Themen, die Schüler interessieren?
Stenglein-Hektor: Wir folgen natürlich auch einem Lehrplan, bei dem religiöse Themen im Mittelpunkt stehen. Aber der ist nicht starr und ich muss und kann entscheiden, wo und wie ich abbiege. Das ist in den Klassen sehr unterschiedlich. Oft geht es um lebenspraktische und ethische Fragen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler auseinandersetzten. Lebensplanung, Eheschließung oder Taufe sind Themen, da sind sie ja oft deutlich näher dran. Aber auch Aktuelles wird oft kontrovers diskutiert. Genau dafür ist aber auch die Zeit im Lehrplan vorgesehen.

Kempf: Bei uns sind die Schülerinnen und Schüler vermutlich noch mehr in einer behüteten Bubble.  Dennoch machen sich die Jugendlichen viele Gedanken und es geht inhaltlich sehr in die Tiefe, es wird viel hinterfragt, geht oft thematisch in den philosophischen Bereich. Vor allem das Nachhaltigkeit ist ein riesen Thema in allen Jahrgängen.
Ich glaube, die Bibel ist für die Schülerinnen und Schüler oft schwer zu verstehen und weit weg, deshalb ist es wichtig einen Bezug herzustellen zu ihrer Lebensrealität.

Aus dem Lehrplan an weiterführenden Schulen

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Welche Stellung hat der Religionsunterricht?
Stenglein-Hektor: Das Fach Religion wird an den Berufsschulen etwas steifmütterlich behandelt. Das hat unterschiedliche Gründe, unter anderem leider auch den Lehrermangel. Wir können nicht genug Unterricht anbieten. Was die Schülerinnen und Schüler angeht, die genießen den Religionsunterricht. Er ist es nicht so leistungsorientiert, es werden keine scharfen Messlatten angelegt. Einer meiner Schüler hat das einmal sehr treffend formuliert:  "Die ganze Zeit geht es um Arbeit und in dem Fach geht es um dich"

Stenglein-Hektor, Bild: © privat

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Uwe Stenglein-Hektor

ist promovierter Pfarrer und seit neun Jahren im Schuldienst tätig. Er unterrichtet Evangelische Religion an zwei Berufsbildenden Schulen in Augsburg.  

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Kempf: Ich kann mich da nur anschließen. Die Schüler genießen auch über die Jahrgangsstufen hinweg den Religionsunterricht. Ich denke, die Jugendlichen sind heute oft zwar weniger kirchlich, aber dennoch religiös und haben eine Sehnsucht nach Spiritualität. Das können sie hier ausleben.

Anna-Lena Kempf und Uwe Stenglein-Hektor im gemeinsamen Interview.

Bild: ELKB

Religionsunterricht

Warum ist der Religionsunterreicht aus Ihrer Sicht unverzichtbar?
Kempf: Ich empfinde es als absolutes Privileg, dass wir im Grundgesetz verankert sind als ein ordentliches Lehrfach. Wir haben etwas zu sagen und eine Botschaft. Die sollten wir auch genau da rüberbringen, wo die jungen Leute sind. Die Schule ist da ein wichtiges und unverzichtbares Sprachrohr. Gerade in der Phase der Identitätsfindung kann das hilfreich sein.

Stenglein-Hektor: Ich kann das nur unterstreichen, was Frau Kempf sagt. Dazu kommt, Religion gehört zum Menschsein. Man wird immer wieder in seinem Leben darauf treffen, religiöse Menschen kennenlernen, sich Fragen stellen oder Konflikte erleben. Bereiten wir die jungen Menschen also darauf vor und versuchen wir gute Antworten zu finden.

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